Rauhnächte
Als Rauhnächte oder Zwölften bezeichnet man die Zeit zwischen Weihnachten und Hochneujahr (Dreikönigstag, Frau-Holle-Tag). Es ist dies eine besondere Zeit, die Zeit „zwischen den Jahren“, weil zwischen dem Mondjahr (früher wurde die Zeit nach dem Mond berechnet, worauf noch Worte wie –mond in den alten deutschen Monatsnamen, aber auch unser Wort „Monat“ hinweisen) und dem Sonnenjahr ein Unterschied von einigen Tagen besteht.
Der Name ist darauf zurückzuführen, dass in dieser Zeit die Bauern den Stall ausräucherten oder vom mittelhochdeutschen Wort „rüch“ = haarig (noch vorhanden in „Rauchware“ für Pelzware), weil man sich vorstellte, dass in dieser Zeit mit Fell bekleidete Gestalten ihr Unwesen treiben.
Die Wilde Jagd braust durch die Lüfte, angeführt vom Schimmelreiter Wodan. Versunkene Schlösser und Schätze tauchen auf, die Tiere können schon am Weihnachtsabend , an dem Wasser zu Wein wird, sprechen. Die Bauern umwinden die Obstbäume mit Strohseilen (auch bei der Ernte wurde oft der Bauer mit Stroh „gebunden“) oder schlagen sie mit der Rute, um ihnen Fruchtbarkeit und Lebenssegen zu wünschen.

Es sind die Lostage, die Zeit der Vorausschau auf das kommende Jahr. Aus den Zwiebelschalen meinte man, Schlüsse auf das Wetter der nächsten zwölf Monate ziehen zu können. Für jeden Monat wird eine Zwiebelschale mit Salz bestreut. Je nachdem, ob dann viel Saft austritt oder wenig, soll der Monat naß oder trocken werden. Wenn es in diesen Nächten viel Nebel gibt, steht ein feuchtes Jahr bevor, wenn es aber hell und klar ist, ein trockenes. Von den vielerlei Bräuchen, die in die Zukunft weisen, ist heute nur das Bleigießen zu „Silvester“ übrig geblieben. Vieles bezog sich vor allem auf das bäuerliche Leben und ist heute in Vergessenheit geraten – hat sich doch die Arbeit des Bauern grundlegend verändert, erst recht im Rahmen der EU-Verordnungen, nach denen in Europa alles reglementiert wird und die das überlieferte Bauerntum bewusst zerstören. Wen interessiert es z.B. heute denn noch, wie hoch der Flachs wachsen wird? Die ledigen Mädchen versuchten herauszubekommen, ob sie im kommenden Jahr heiraten würden, z.B. durch das „Hühnerorakel“ in Thüringen: die Heiratslustige tritt nachts in den Hühnerstall, dadurch wird der Schlaf der Hühner gestört. „Gackert der Hahn, so krieg ich nen Mann. Gackert die Henn, so krieg ich noch kenn“.
In dieser Zeit durfte keine Wäsche gewaschen werden. Selbst im aufgeklärten 20. Jahrhundert gab es noch sogar christlich tief verwurzelte Frauen, die sich daran hielten, um sich „keine Krankheiten anzuwaschen“! Im Freien durfte man keine Wäsche aufhängen – sie würde sonst von den Hunden in Wodans Gefolge zerrissen. Die Räder mussten stillstehen, es durfte nicht gesponnen werden (weil sich dann ja das Spinnrad dreht), die Arbeit musste ruhen. Nur die Federn durften geschlissen werden.
Ursprünglich begann bei den Germanen das Jahr nach der Wintersonnenwende. Der englische Geschichtsschreiber Beda berichtet noch um 700, dass die Angelsachsen ihr Jahr „am 25. im Julmond“ begannen. Erst Papst Innozenz XII. setzte 1691 den Jahresbeginn auf den 1.1. fest. In manchen Ländern wird heute noch Weihnachten erst an unserem 6.1. gefeiert, wie auch Christi Geburt bis ins 4. Jahrhundert oft an diesem Tag begangen wurde.
In verschiedenen Gegenden sind noch die alten Flurumritte in kirchlichem Gewand z.B.als Stefaniritte oder Neujahrsritte erhalten. Auch das Turmblasen ist als Fortsetzung der alten Bräuche zur Erweckung der schlafenden Natur zu verstehen. Früher war das „Neujahrsansingen“ noch verbreitet . ein alter Heischebrauch, bei dem mit einem Lied oder Spruch ein gutes Neues Jahr gewünscht wird und die Sänger dafür eine Gabe erhalten.
Gar fröhlich zu singen, so heben wir an,
das Alt ist vergangen, was Neues hebt an.
Was wollen wir uns wünschen fürs neue Jahr?
Viel Kampf, Heil und Segen und Arbeit fürwahr.
Heutzutage wird überall – von der Verkäuferin im Supermarkt bis zu den persönlichen Bekannten – vielfach „ein guter Rutsch“ gewünscht. In meiner Jugend war das noch völlig unbekannt. Aber mit „Rutschen“ hat diese Redensart nichts zu tun; sie kommt au dem Hebräischen. Rosch Haschana heißt wörtlich übersetzt „Kopf des Jahres“ und bedeutet den Jahresanfang. Wir „rutschen“ nicht – wir gehen aufrecht ins Neue Jahr!
In dieser Zeit blieb man gern zu Hause. Man erzählte sich die alten Geschichten aus dem Weistum der Ahnen, die schönen Märchen wurden lebendig (siehe Ausführungen in der DS Dezember 2012). Eine besondere Rolle spielt Frau Holle oder Frau Berta/Berchta (= die Glänzende, Strahlende).Das Märchen, in dem die Goldmarie, Sinnbild des Hausfleißes, bei Frau Holle die Betten schüttelt, damit es auf Erden schneit und der Schnee die junge Saat vor dem Erfrieren schützt, kennen wohl noch alle. Auch noch in christlich geprägten Erzählungen ist Frau Holle die Lichtgestalt, die dann nicht nur die ungeborenen, sondern auch die noch ungetauft verstorbenen Kinder hütet, die es bei ihr gut haben, was den trauernden Müttern zum Trost wird. Ihr Name ist auch verbunden mit dem Perchtenlaufen in den Alpenländern. Es gibt die „schiachen“ (hässlichen) Perchten mit ihren zottigen Gewändern und die schönen, weißgekleideten, oft mit einer Sonnendarstellung oder Spiegeln auf dem Kopfputz. Sie tragen große Glocken mit sich (in manchen Gegenden heißen sie dann auch „Glöckler“) oder Ketten, mit denen sie rasseln.
Damit ist der Übergang geschaffen zum Brauchtum der Faschingszeit, dem das Erwecken der Natur zugrunde liegt.